Ich bin

Monka Kebieche-Loreth

Im Egon Schiele Jubiläumsjahr erinnere ich mich gerne an "Selbstseher" in den Wagenhallen.

Selbstseher:

Über die Mitternachtsseele des Malers Egon Schiele, anlässlich seines 100. Todestags 2017.

Auffallend am Oeuvre Egon Schieles ist die große Zahl an Selbstbildnissen, in denen sich der Künstler in ausgefallenen Posen und affektivsten Gebärden zeigt, die die Einheit seiner Person demontieren und eine Spannung zwischen dem Ich und dem im Bild verfremdeten Selbst erzeugen. In den ersten Selbstbildnissen Schieles kam zunächst der Drang zum Ausdruck, die durch den Tod des verehrten Vaters erlittene Einbuße an Bewunderung durch eine grandiose und exhibitionistische Selbstüberhöhung zu kompensieren. Nach Schieles "Klimt Phase" wurden die Selbstproträts zunehmend spannungsgeladen. Sie negieren die klaren Konturen eines Individuums, der Spiegel wird zum Zerrspiegel, das eigene Spiegelbild zum Alter Ego. Dominante Merkmale sind asketische Schlankheit, virtuose Körperverdrehungen, düstere bis bizarre Mimik und elektrisiert aufgestelter Haarschopf.

Auch von seinen weiblichen Modellen forderte Schiele befremdende Posen, bizarre Bewegungen und akrobatisch verbogenen Leiber. Wally Neuzil, Schieles bevorzugtes Modell seiner erotischen Zeichnungen und langjährige Lebensgefährtin, figurierte in einigen wichtigen Gemälden. Nach der plötzlichen und eigenartig emotionslosen Entscheidung Schieles, sich mit sich mit einer anderen, nämlich Edith Harms, einer guten Partie aus der Nachbarschaft, zu vermählen, strebte er eine "ménage á trois" an, der sich die beiden Frauen jedoch verweigerten. Die Utopie einer harmonischen Einheit von Wally und Edith fand in einigen Arbeiten aus den Jahren 1914/15 Ausdruck, bei denen er mehrmals ein unlösbar miteinander verschlungenes Mädchenpaar zeichnete, das eine erotische Einheit ausstrahlt.

Als Inspirationsquell dienten Schiele auch die Tänzerinnen Ruth Saint Denis und Loie Fuller, sowie seine Erfahrung mit Geisteskranken und sein Interesse am pathologischen Ausdruck.

Choreographie und Recherche: Monika Kebieche-Loreth

Besetzung:

Anton Schweizer in der Rolle des Egon Schiele

Vera Horn als Wally Neuzil, Schieles bevorzugtes Modell seiner erotischen Zeichnungen und langjährige Lebensgefährtin.

Ann-Kathrin Wurche als Edith Harms, hübsche Nachbarstochter aus gutbürgerlichem Haus um deren Gunst Schiele buhlte, und die schließlich eine Frau wurde.

Alle drei in Selbstseher verkörperten Protagonisten starben in jungen Jahren an Epidemien, die der Erste Weltkrieg mit sich brachte.

Photographie Bühnenbild und Inspiration zum Stück: Michael Salvermoser

Premiere war am 18.10.2014 im OST-freie Szene im Depot, Stuttgart; weitere Aufführung bei "Dance Do It!" am 06.12.014 im Stadthaus Ulm.

Selbstseher war am 21.02.2015 zum ersten Mal in voller Länge im Kulturbetrieb Wagenhallen, Stuttgart, zu sehen.

 

Spiegelungen (Premiere):

Ein wesentlicher Bestandteil im Prozess der Selbstdarstellung ist der Spiegel. Er dient als Medium der Selbstwahrnehmung, narzisstischen Selbstverdoppelung oder der Realitätsverzerrung. Der Spiegel als magisch-symbolisches Objekt, er gilt als Abbild der Seele, steht für Vergänglichkeit, Sinnenfreude sowie Putzsucht; er bietet aber auch aber eine Pforte in ein Parallel Universum oder eine andere Seins Modalität, eine Chance zur Bewusstseinserweiterung. Alice tritt hinter den Spiegel, betritt das Wunderland- wir betreten mit ihr die Märchenwelt und finden uns in E.T.A. Hoffmanns Geschichte vom verlorenen Spiegelbild wieder. Hier überlässt der Protagonist sein Spiegelbild der heimlichen Geliebten und somit dem teuflischen Dappertutto, dem Wunderdoktor mit den übernatürlichen Kräften, dessen sehr spezielles Hobby es ist, Spiegelbilder und Schatten zu sammeln. Die fehlende Reflektion seines Seins durch Spiegel zerstört schließlich das Ego unseres Protagonisten Erasmus Spikher. Jacques Lacans berühmtes Spiegelstadium als Bildner der Ich-Funktion wird umgekehrt.

Idee und Choreographie: Monika Kebieche-Loreth

Tanz:

Denny Hartmann als Dappertutto, der teuflische "Dr. überall und nirgends" mit den übernatürlichen Kräften. Seine Leidenschaft ist es, Spiegelbilder und Schatten zu sammeln.

Anton Schweizer als Erasmus Spikher, ein Mann von beharrlicher Tugendhaftigkeit, der bis zur Begegnung mit den drei Giuliettas allen Versuchungen widersteht.

Alicia Schneider, Ann-Kathrin Wurche und Vera Horn als "die drei Giuliettas". Sie betören Erasmus Spikher und entwenden ihm- im Auftrag von Dr. Dappertutto- sein Spiegelbild.

Anna Kempin und Magdalena Wurm als Giftmischerinnen. Als Lösungsvorschlag zur Wiederelangung des Spiegelbildes bieten sie Erasmus Spikher Blausäure an. Dem widersteht Erasmus jedoch und lebt fortan ohne Spiegelbild.

Ensemble Tänzer: Pamina Handler, Ev Gründel, Lotfi Khamassi, Stef Munz, Tristan Tornarolli, Janine Seidenberger, Katharina Axtmann, Jana Pfeiffer, Jessy Wächter, Isljami Elvis, Sean Voigt, Olaf Pfitzenmaier, Sandro Brosi.

 

 

 

 

4.11.2017 Pavillon am Schoßplatz

Stuttgart leuchtet

Schmuckboulevard

Messeherbst 2017

Selbstseher bei "Dance Do It!

Stadthaus Ulm